Langweilige Rente kommt nicht in Frage
Kerstin Dietzel, 62, beschließt auf eine langweilige Rente zu verzichten und gibt ihr Wissen weiter. Sie bildet Kranken- & Gesundheitspfleger*innen aus.
Sie ist Mentorin in einem Berufsgebiet, dem noch mehr Aufmerksamkeit zu Teil werden darf.
Podcast Transcript:
Schmerzfrei, gesund und kraftvoll die zweite Lebenshälfte genießen. Der Anti-Aging Podcast für Kopf und Körper. Deine News rund um die drei Hauptbereiche Bewegung, Ernährung und Mindset mit Ralf Gabler.
Ralf: Hallo und herzlich willkommen zum Anti-Aging Podcast. Heute mal mit einem, ich würde es für mich intern so bezeichnen, sehr spannenden Experiment. Ich habe hier die Kerstin Dietzel und sie kommt aus dem medizinischen Bereich. Sie bildet Operations-technische-Assistenten aus, bildet Gesundheits- und Krankenpflege-Fachkräfte aus. Ist also eine Art Lehrerin.
Und hat mit ihren 62 Jahren beschlossen, dass sie eigentlich keine langweilige Rente bis in ein paar Jahren haben will, sondern in ihrem Leben noch mal was zusätzlich reißen möchte. Auch ihr Wissen nicht einfach nur so verkommen lassen will, weils darum zu schade wäre. Und wir schauen jetzt einfach mal, wo uns das Gespräch heute hinführt. Ich sage auf jeden Fall mal: Hallo Kerstin.
Kerstin: Hallo Ralf, ich habe ein Schmunzeln auf den Lippen, weil ich diese Zusammenfassung oder diesen Einstieg so toll finde. Du hast alles passend zu mir erzählt. Ja, herzlich willkommen von meiner Seite und ich freue mich bei dir sein zu dürfen im Podcast.
Ralf: Ja, du sehr gerne. Du hattest dich ja bei mir gemeldet und wir haben jetzt gerade vorher auch schon so ein kleines bisschen vorgesprochen und irgendwo finde ich es total cool. Ich habe früher ja mal als Coach gearbeitet für einige Jahre und hab da unter anderem auch Auftragsarbeiten gemacht für die Agentur für Arbeit.
Und ich find das unglaublich toll, wenn jemand eben nicht mit 55, 58, 60 auf eine Rente hin arbeitet und sich quasi, ich sag mal so, gehen lässt und dann auf das Ende wartet, sondern sagt: Nee, jetzt habe ich dann Zeit, jetzt kann ich dann richtig was machen und das hat mich hier echt irgendwo begeistert. Dazu hin bist du eine angenehme Gesprächspartnerin.
Kerstin: Herzlichen Dank für das Kompliment. Ich muss schon wieder schmunzeln. Gehen lassen, also das ‚lassen‘ lassen wir weg. Aber ich gehe und ich möchte noch ein ganzes Stück gehen. Und ich glaube, mir liegen die jungen Menschen am Herzen, mit denen ich eigentlich in meiner in den vielen Jahren meiner Berufstätigkeit zusammengearbeitet habe. Und das ist das, was mich auch motiviert. Die verändern sich natürlich. Das wäre ein eigenes Thema noch mal.
Die verändern sich, wie sie erzogen wurden und dergleichen. Aber es ist immer wieder spannend, mit denen zusammenzuarbeiten. Und vielleicht ist es das, was mich so jung erhält. Ich weiß es nicht. Aber das sind natürlich auch viele Jahre, wo ich viel Wissen für mich angesammelt habe und das natürlich auch tagtäglich weitergeben möchte.
Aber was ist dann, wenn ich dann in Rente gehe, dann darf ich, gut, ich habe noch viele Ordner, ist noch nicht alles digitalisiert, aber das meist auch. Aber ich sage einfach mal so demonstrativ, dann darf ich in mein Büro das Regal ausräumen, die ganzen Ordner wegtun und dann geh ich. Och schade drum, das habe ich mir gesagt.
Ralf: Ja. Also ich sehe das bei ganz vielen Älteren. Insofern finde ich das auch total cool. Ich bin auch so ein absoluter Freund von so einem Mentor-Konzept, wo ein jüngerer Mensch einen oder zwei oder ein älterer, zwei oder drei jüngere Mentorin hat. Keine Ahnung, ob man das so sagt. Ich sage es jetzt einfach mal so. Und die quasi begleitet so wie er kann. Und Bock hat.
Das eben diese wertvolle Erfahrung und dieses wertvolle Wissen nicht einfach weg ist und gleichzeitig der ältere Mensch aber durchaus genügend Zeit hat, sich um seinen eigenen Kram zu kümmern und nicht mehr Fulltime arbeitstechnisch belastet ist.
Kerstin: Das wäre eine super Lösung, das so zu sehen. Und du hast vorhin gesagt, ich sei so eine Art Lehrerin. Du hast nicht gesagt, ich bin eine Lehrerin, sondern eine Art Lehrerin und da musste ich innerlich schmunzeln, weil genau so fühle ich mich. Ich habe ein Studium absolviert, ich habe einen Hochschulabschluss. Das ist alles richtig. Aber ich fühle mich nicht als die Lehrerin, die im Kultusbereich tätig ist, weil das ist in dem Schulbereich, wo ich arbeite, gehören wir nicht dazu.
Natürlich bin ich eine Lehrerin, aber ich sage das gar nicht gerne, diesen Begriff. Und es ist tatsächlich, und so verstehen wir dass auch heute. Bei den jungen Menschen sind wir eine Begleitung. Sie zu begleiten in der Aneignung von Wissen, von Kompetenzen, nicht mehr Fähigkeiten und Fertigkeiten, das war früher mal. Heute sind das Kompetenzen in unterschiedlichen Bereichen und sie dort zu begleiten, das ist die Aufgabe.
Und das ist auch das Schöne, wie sie sich entwickeln. Und die entwickeln sich innerhalb von drei Jahren. Das ist ja manchmal nicht unbedingt in die Richtung, wie man möchte, aber die meisten schon. Mancher stellt fest: Das ist nicht mein Beruf in dieser Zeit. Aber grundsätzlich ist das meistens eine Entwicklung in die positive Richtung, dass sie dann wirklich gestärkt, dann auch ihren Beruf antreten können nach der Ausbildung.
Ralf: Ja, ein Beruf, den ich mir auch ganz ehrlich gesagt als ziemlich hart vorstelle. Ja, also Krankenpflege oder Gesundheitswesen heißt es ja. Du hast mir das vorher erklärt, sie heißen jetzt Gesundheitspflege oder Gesundheits- und Krankenpfleger oder Fachkräfte. Ich versuche es richtig zu sagen. Also ist ein Job, wo ich jetzt ehrlich sagen muss ,ich trau mir unglaublich viel zu, aber das würde ich mir nicht zutrauen.
Kerstin: Also die Worte, früher hieß das Krankenpflege, weil man eben die Krankheiten in den im Fokus hatte, im Vordergrund. Damit will ich nicht sagen, dass man die Krankheiten heute nicht im Fokus hat. Aber ja, da gibt es eine lange Geschichte. Beginnend von der UNO, von der WHO, die den Begriff Gesundheit mal definiert hat.
Und das ist eben nicht nur das frei sein von Krankheit, sondern da gibt es noch ein bisschen mehr dazu. Das körperliche, geistig seelische Wohlbefinden. Und das ist ja auch richtig, das so zu sehen, dass die Gesundheit im Vordergrund stehen sollte und nicht die Krankheit. Und wenn die Krankheit behandelt ist, therapiert ist, vielleicht nicht immer möglich ist zu therapieren.
Aber es ist ja nie der ganze Mensch komplett krank. Es ist ja nur immer ein Teil von ihm krank. Vielleicht hat er etwas am Bauch und er kann seine Arme und Beine noch bewegen, er kann also noch selbst Zähneputzen und sich waschen. Und darauf soll dafür oder wird der Fokus mehr gelegt. Nicht Patient: Ich lieg mit Schlafsachen im Krankenbett und jetzt kommt die Schwester der Pfleger und jetzt mach mal alles. Irgendetwas kann der ja.
Und das zu fördern, wenn er vielleicht noch ein Stück gehen kann oder sich ans Bett setzen kann oder selbstständig essen kann oder noch viel mehr kann, dann soll er das auch im Krankenhaus tun. Ich bin nicht einfach krank, weil ich im Krankenhaus bin und da einen ganzen Tag im Schlafanzug rumrennen. Die Zeiten sind vorbei und deswegen ist es auch richtig, den Ansatz Gesundheit zu wählen und das zu stärken.
Man spricht dann immer von den Ressourcen, die die Patienten haben und genau auf diese Ressourcen auch Wert zu legen. Und ich glaube, das hilft ihnen im Gesundheits-Prozess viel, viel mehr als immer nur den Fokus auf die Krankheit zu legen. Je nach Maß, je nach Krankheit, ist das ja dann schon unterschiedlich, wie viel muss er sich darauf konzentrieren? Aber ich denke, es ist auch wichtig, gerade für den Kopf, für den Geist, für die Seele, ja das zu nutzen, was er noch gut kann. Das ist ganz wichtig für den gesünderes Prozess.
Deswegen Gesundheit. Eigentlich müsste ein Krankenhaus, Gesundheits-Haus heißen, weil es wird nicht jeder hundertprozentig gesund. Das ist damit nicht gesagt, aber die Richtung soll dahin. Soll nicht immer nur ‚Therapie von Krankheiten und dann ist Ende‘ sein. Nein, das stimmt ja gar nicht, da ist ja kein Ende. Das ist ein interessanter Ansatz.
Ralf: Aus meinem Ansatz und von meinen Ideen her, gibt es beispielsweise im Bereich der Hypnotherapie, da ist das ganz ähnlich. Du versuchst dich schon auf das Gute auszurichten und eben Dinge, die funktionieren und die du machen kannst. Und die Hypnotherapie macht dann noch was ganz Verrücktes, die sagt: Lass doch mal das Kaputte vom Richtigen oder vom Guten lernen. Also wenn jetzt beispielsweise der rechte Arm nicht gut tut, dann schau dir doch mal an, was der linke so macht und guck mal, ob du das rechts übertragen kannst.
Ralf: Richtig. Ja, und das gibt es ja auch, das nutzen auch die Pflegekräfte. Da gibt es bestimmte Techniken, mit denen bin ich jetzt nicht ganz so dolle involviert. Aber um genau das zu tun. Das die kranke Seite, von der Gesunden lernen kann. Und da ist immer mein Ansatz, weil ich ja eher der Vermittler der Naturwissenschaften bin.
Und ich zeige dann eben auch den Schülern, wo sind die Gründe, wo sind die Ursachen. Wo ist das behaftet, dass er das in der Pflege dann so tun sollte, dass das nötige Verständnis für bestimmte Tätigkeiten da ist. Im Gesamtkomplex ist es schon eine ganz spannende Sache. Also wenn man sich dafür interessiert, ist das finde ich total spannend. Warum mache ich das so und so? Welchen Hintergrund hat das? Und das scheint ja bei dir genauso zu sein mit der beschriebenen Hypnose.
Ralf: Ja, das ist durchaus ähnlich. Ne, finde ich toll. Also dein Bereich jetzt die Krankenpflege oder Gesundheits-Pflege.
Kerstin: Es wird ja noch gesagt Krankheitspflege. Zum Examen, wenn die ihr Zeugnis bekommen, steht nicht Krankenpflege mehr drauf.
Ralf: Nein, ist auch gut. Und es macht schon auch Sinn, sich über so eine automatisierte Wortwahl so ein kleines bisschen Gedanken zu machen, weil letztlich werden aus Worten auch Gedanken bzw. aus Gedanken werden Worte. Ja und es macht schon einen gewissen Unterschied.
Also so sehr man sich auch über bestimmte Gender-Geschichten aufregen kann, ich mags nicht. Trotz allem bringt es mich eben immer wieder doch auch zum Nachdenken und erfüllt damit natürlich auch wiederum einen gewissen Zweck. Also insofern, es hat wie ganz viele Dinge eine gute und eine nicht so gute Seite oder eben einfach zwei Seiten sozusagen. So wie der Mensch auch seine zwei Seiten hat.
Kerstin: Richtig. Und die Gender-Thematik da könnte man sogar naturwissenschaftlich was dazu sagen. Es ist ja nur heute wirklich publik geworden und es wird diskutiert und die Menschen sind offener und das muss ja auch so sein. Aber bestimmte Worte habe ich schon vor 15 Jahren oder noch länger gewählt und gesagt.
Also wenn in der Entwicklungsgeschichte in der Embryologie dies und das und jenes so abläuft, dann kann es sein, dass.. so muss ich ja jetzt nicht ausführen. Aber man kann vieles naturwissenschaftlich belegen nur ja, als Laie beschäftigt man sich nicht damit und dann sieht man zwei Menschen oder wie auch immer und denkt was ist hier los? Ne, ist alles gut. Sind alles Menschen.
Ralf: Das so oder so. Und ich denke das ist wichtig und finde ich aber auch toll, wenn sowas den Leuten nahegebracht wird. Den Menschen doch in einer, sage ich mal, etwas verletzlichen Position erleben.
Also zwangsläufig, wenn ich krank bin oder Pflege brauche, Betreuung brauche oder Unterstützung brauche und alleine im Moment nicht klar komme, ist es aus meiner Sicht immer eine etwas verletzliche Situation. Und da ist es natürlich extrem wichtig, dass Leute dabei sind, die da sehr, sehr empathisch und sehr gut damit umgehen.
Kerstin: Auch empathisch. Ich wollte jetzt eben sagen, da bin ich immer sehr vehement und und sage dann so und so, und es gibt dann auch nie viel Diskussion, die nehmen das auch gerne an. Also früher gab es nie viel Diskussion. Ich muss ja auch ein bisschen differenzieren von vor vielleicht zehn Jahren oder wie das heute ist.
Das hat sich dann doch schon so heute geändert, dass man wirklich offener ist, dass ich, wenn die Schüler, die auszubilden sagen: Nee, nee, da und da gibt es da dann noch mehr. Und ich sage: Ja, genau. Ja, die sind da schon mehr mit behaftet mit den Themen als vielleicht jemand, der so alt ist, wie ich als Laie. Ich bin es jetzt nicht, weil ich bin dann naturwissenschaftlich in meinem Beruf drin verfestigt und kann da was mitmachen. Aber früher hat man ja über diese Sachen nicht gesprochen.
Und noch mal zurück zur Verletzlichkeit. Das ist auf jeden Fall so. Jeder Mensch ist im Krankenhaus besonders verletzlich. Er muss sein Zuhause verlassen, er hat die gewohnte Umgebung nicht mehr. Schon das kann manchmal ein Schock sein, für sich genommen. Alles ist anders. Und jetzt? Mein ganzer Tagesablauf ist anders und ich muss jetzt schmunzeln.
Aber wichtige Themen für Patienten sind tatsächlich die Verdauung der Nahrung. Also wie schmeckt das Essen und wie kommt die dann verdaut wieder da raus? Das sind elementare Themen, die auf einmal ganz, ganz wichtig sind. Manche machen irgendwas zu essen dazwischen und jetzt geh ich und mach und tu und das klappt schon alles.
Und jetzt ist auf einmal die Situation eine ganz, ganz andere. Ich bin eben im Krankenhaus und muss mich vielleicht auch noch so oder so verhalten oder bekomme das Essen, was ich so gar nicht kenne. Für das sind solche einfachen Dinge sind dann ganz wichtige Themen.
Ralf: Völlig, völlig klar. Ich war zum Glück die letzten 30 Jahre, wahrscheinlich 30 Jahre nicht im Krankenhaus.
Kerstin: Super.
Ralf: Ich war einmal bei der Geburt im Krankenhaus, danach einmal, um mir eine neue Schnittverletzungen am Bein wieder nähen zu lassen und dann eben einmal, wo ich tatsächlich bewusst jetzt, ich glaube sonst nämlich wirklich nicht im Krankenhaus lag. Das war mit Nierenstein, ja. Aber ansonsten war ich tatsächlich nie im Krankenhaus.
Aber das geht ja tatsächlich schon alleine damit los, dass ich möglicherweise überhaupt nicht auf die Toilette kann, ja, weil ich mich nicht bewegen kann, mir dann von irgendjemand anders, auch egal ob jetzt über Krankheit oder einfach nur über Alter, mir den Hintern abputzen lassen muss. Keine Intimsphäre in dem Sinne mehr habe. Ich glaube, es ist schon extrem beeinträchtigend.
Kerstin: Und das ist jetzt aus Sicht des Patienten. Und jetzt kommen wir vielleicht zu der, was heißt Schwierigkeit oder zur Stärke, was die Pflegekraft mitbringen muss. Die ist ja dann genauso involviert in einem Intimbereich eines kranken Menschen. Weil wir sind nicht auf zwei Meter, fünfzig Abstand oder drei Meter Abstand, der als öffentlicher Bereich gilt. Die Pflegekräfte arbeiten im Intimbereich eines Menschen.
Und wenn mir ein fremder Mensch sehr nahe kommt oder mich noch berührt na ja, das kann sein, dass ich das vielleicht gar nicht möchte. Und das muss man ja auch von zwei Seiten sehen. Einmal von der Patienten Seite. Wer kommt da an? Hat er vielleicht grad geraucht, hat einen schlechten Atem oder vielleicht noch Schweiß? Ich mache mal das Negative jetzt, aber was mich abhält. Aber da wissen unsere Auszubildenden, wie sie sich da bewegen sollen.
Aber auf der anderen Seite muss man auch, ich meine die jetzt in der Ausbildung sind, die Menschen, die sind ja auch noch sehr jung. Und ich denke, für die ist das schon eine sehr, sehr große Herausforderung, sich mit solchen Dingen zu beschäftigen. Dann einem fremden Menschen so nahe zu kommen, oder ältere Menschen, ja da ist man halt nackt, wenn man gewaschen wird. Und ja, das sind dann sicher nicht die Körper, die sie vielleicht vorher in irgendeiner Zeitschrift retuschiert gesehen haben.
Ralf: Ziemlich unwahrscheinlich.
Kerstin: Ist dann die Wirklichkeit. Und ich glaube ja, das macht doch erst mal Eindruck. Und ich denke schon, dass die gerade in der ersten Zeit der Ausbildung sehr, sehr viel zu verarbeiten haben, wenn sie nicht vorher vielleicht schon mal ein Praktikum gemacht haben, was sein kann, aber nicht muss.
Also das ist schon eine große Herausforderung, gerade sowas. Und da wird dann aber auch gesagt, wenn sie bei dem ein Patient das nicht können, weil vielleicht ist der Geruch nicht so dolle oder was auch immer. Ja, dann muss man auch sagen können, ich kann das nicht und das kann aber dann sicherlich jemand anderes. So fair muss man dann auch in dem Bereich sein und das ist man auch.
Ralf: Ja, es ist super spannend, aber ich hatte ja vorher schon gesagt, ich würde mir nicht zutrauen, das zu tun. Aber trotz allem, auch wenn mir klar ist, warum denkt man für sich selber oder denke ich für mich selber doch eher aus der Patienten Sicht, logischerweise. Aber tatsächlich so wie du das sagst. Das ist natürlich die gleiche, also nicht die gleiche, aber eine eine durchaus vergleichbare Problematik auch von Seiten des Pflegenden aus.
Kerstin: Auf jeden Fall. Das darf man, wenn man das mal so rein nüchtern betrachtet, nicht außer Acht lassen. Der muss das genauso verarbeiten können. Ja, das ist so.
Ralf: Plus dann denke ich teilweise, ich habe eine relativ gute Vernetzung im medizinischen Bereich. Und was ich da mitbekommen habe, war, als es sehr vielen im Medizinbereich sehr, sehr schwer gefallen ist oder sich als als riesig problematisch erwiesen hat. Sind jetzt beispielsweise durch durch Covid einfach diese Todesfälle.
Kerstin: Ralf, wenn du sagst im medizinischen Bereich meinst du im ärztlichen Bereich? Wir arbeiten auch im medizinischen Bereich.
Ralf: Natürlich. Ärztlich und pflegend. Ich habe tatsächlich Kontakte zu grundsätzlich beiden Gruppen. Ja, und das muss den also richtig richtig zusetzen. Wenn die am Tag so ein, zwei, drei Tote haben.
Kerstin: Ja, das ist ja auch nicht das Normale. Also ich war nicht auf so einer Station. Ich kann nicht aus diesem Erleben sprechen, aber ich kann es mir wohl vorstellen. Und die haben wirklich jetzt diese letzten Jahre sehr, sehr schwere Arbeit leisten müssen. Da geht es ja wirklich schon los mit Temperaturen, die hoch sind. Denn was sie aus hygienischer Sicht anhören müssen, die sind durchgeschwitzt bis auf die Unterwäsche.
Wenn die so einen Patienten behandelt haben, schon das ist ja schon eine körperliche Herausforderung, die ganz klar bei normalen Stationen im normalen Betrieb eben nicht normal ist oder nicht gegeben ist. Vielleicht auch noch Verbrennungs-Station. Da herrschen noch mal so ganz besondere Bedingungen, aber im Normalfall nicht.
Und sich dann tagelang zu bemühen, um den Patienten und alles zu tun. Und dann zu sehen, wie der Mensch stirbt. Und eben vielleicht am Tag nicht nur einer. Schon jeden Tag einer es ist sehr viel. Wenn man jetzt mal aus statistischer Sicht ist, dass das mit den Menschen auch etwas macht, also das muss man respektieren, ganz einfach.
Und da habe ich auch höchsten Respekt vor den Pflegenden und Ärzten, die wirklich diese ganze lange Zeit sich mit diesen intensiv medizinisch zu betreuenden Patienten zu beschäftigen hatten.
Ralf: Nein, das kann ich mir also auch gut vorstellen, dass das richtig hart ist. Aus meiner Sicht, das trifft auf auf ganz, ganz, ganz viele Berufe zu. Dass man das meistens von der anderen Seite aus sieht. Weil man ist ja immer der andere. Also wenn ich irgendwo einkaufen gehe, dann ist es der blöde Verkäufer, der nicht freundlich genug ist. Oder der blöde Kaufmann, der nicht freundlich genug ist. Oder der Arzt, der nicht gut genug aufklärt. Oder? Es sind ja immer die anderen.
Kerstin: Aber es ist so.
Ralf: Nein, ich glaube, irgendwo scheint es so, je mehr man sich rein denkt und rein arbeitet, da hat jeder Beruf doch irgendwo seine ganz, ganz speziellen Herausforderungen.
Kerstin: Also mit dem ich will mich da überhaupt nicht freisprechen. Hätten die nicht mal und dies und das und jenes. Aber, ich sage mir, diese Menschen müssten wirklich manchmal mehr, mich eingeschlossen, wie sage ich dann manchmal ‚in den Schuhen des anderen laufen‘ oder versuchen, das ein Stück durchzusetzen?
Aber ich weiß auch, wenn man selbst so im Stress und im Alltag ist und dann hat man die Gedanken nicht. Aber manchmal macht es, glaube ich, ganz, ganz, ganz viel Sinn, sich vielleicht auch mal für den anderen ein paar Gedanken zu machen. Das bringt alle weiter, glaube ich, dass das ein zwischenmenschliches Thema grundsätzlich ist.
Ralf: Also da hast du auch wiederum meine volle Zustimmung und auch in dem Punkt muss ich für mich selber leider so sagen. Ich versuche da einigermaßen drauf zu achten, aber ich bin mir auch komplett darüber im Klaren, dass mir das wahrscheinlich die Hälfte der Zeit nicht wirklich gelingt.
Kerstin: Aber wenn du das jetzt von dir sagst, dann bist du ein Mensch, der das macht. Ich denke aber, dass es auch viele Menschen gibt, die sich damit gar nicht beschäftigen oder gar nicht auf die Idee kommen. Aber gut.
Ralf: Die gibt es sicher. Haben wir wahrscheinlich keinen einzigen unter den Zuhörern. Das sind nur tolle Menschen. Ich hoffe immer, dass ich so einigermaßen Zuhörer auch habe, die über sich selber so ein bisschen reflektieren und gehe schwer davon aus, dass das auch der Fall ist. Und das heißt nicht, dass man alles toll und richtig macht. Aber das heißt zumindest, dass man nicht allzu überheblich durchs Leben geht.
Kerstin: Und wenn es so ist, wie ich bin, dann vielleicht auch mal, dass man hinterher sagt: Das hättest du aber jetzt anders machen sollen, das wäre vielleicht nicht so richtig. Aber es ist ja schon deinen Ansatz da, darüber nachzudenken und vielleicht beim nächsten Mal irgendwie besser zu reagieren in bestimmten Situationen. Und das wird uns allen mehr helfen.
In der Krankenpflege, die müssen schon reflektieren. Das müssen wir. Wir müssen das. Das ist ihre Aufgabe mit zu reflektieren. Das, was sie gesehen haben, was sie gehört haben von den Patienten, wie sie selber arbeiten. Ich glaube, so eine Reflektion, dieser Begriff, der gehört unabdingbar dazu, zu diesem Beruf ist. Das geht gar nicht anders.
Ralf: Gibt es eine regelmäßige Supervision für aktive?
Kerstin: Da ich jetzt nicht direkt auf einer Station arbeite, kann ich jetzt schlecht Auskunft geben, ich weiß aber, wenn es bestimmte und jetzt gerade in der Covid-Zeit in den Jahren, wird auch so was von Krankenhäusern angeboten für die Mitarbeiter. So weiß ich.
Weil das sind ja wirklich besondere Situationen, die nicht nur bloß eine Woche gehen, sondern jetzt zwei Jahre, oder? Und da waren die Zahlen hoch und mehr intensiv Patienten und da gab es Begleitung. Ich kann dazu aber jetzt nichts sagen. Das ist aber auch wichtig, dass die Mitarbeiter aufgefangen werden.
Ralf: Klar, weil das sind ja schon psychische Extremsituationen. Je nachdem, wie einer natürlich auch gestrickt ist. Und es ist schon, ich denke mal, da gibt es auch schon so ein gewisses Ding: Auf der einen Seite brauchst du wahrscheinlich, na ja, eine gewisse Abgeklärtheit oder eine gewisse Härte. Auch, dass das vernünftig funktioniert.
Und auf der anderen Seite solltest du sehr empathisch und sehr mitfühlend sein und musst aber gleichzeitig irgendwie wirklich aufpassen, dass dir diese Empathie und dieses Mitgefühl nicht den Hals bricht.
Kerstin: Kann ich ein kleines Beispiel dazu sagen. Diese Auszubildenden, die werden auch von ihrer Ausbildungsstätte, von der Schule auf den Stationen betreut. Zu in einem Abschlussgespräch. Und da müssen bestimmte Themen besprochen werden, wie Arbeitsweise, Qualität, Arbeitsschutz, Kommunikation. Wenn wir jetzt beim Thema Kommunikation sind, dann würde da auch irgendwo der Begriff Nähe und Distanz auftauchen.
Und diese zwei Begriffe, die kann man sehr vielfältig benutzen. Aber wenn so ein junger Mensch in die Ausbildung kommt und er ist wirklich zum ersten Mal in so einem Einsatz. Dann ist es auch ganz, ganz wichtig, ihn zu fragen zu dem Thema Nähe und Distanz. Ob er die Themen, die er dort gesehen hat, gehört hat, ob er das nach seinen Dienst in seinem Kopf mit nach Hause nimmt. Ob er lange darüber nachdenkt, ob ihn das Probleme bereitet.
Es ist ganz, ganz wichtig, dass man auch die Arbeit durchführen kann, weil wenn ich sage, einfach mal, die Empathie so hoch ist, dass die in dem Kopf bleibt, dann kann es ja auch sein, dass das für denjenigen zu viel würde. Das muss man ja auch sehen. Und die andere Seite aber muss ich sagen, hab ich noch nie erlebt, dass die völlig unpolitisch daherkommen. Und wenn das der Fall wäre, dann würde man sich da auch unterhalten müssen.
Das ist schon wichtig, so eine Balance zu halten, um erst mal in den Beruf reinzukommen. Und sicher wird sich das über die Jahre noch verändern. Aber auch da halte ich mich etwas zurück, weil ich arbeite nicht auf einer Station. Also die Empathie ist immer an vorderster Stelle. Das da bestimmte Prozesse routinierter ablaufen, aber es darf keine Kälte entstehen und das wird auch nicht sein.
Die Empathie ist wichtig, aber man weiß dann besser, wie man agiert als jemand, der erst neu in Ausbildung ist. Es ist spannend. Nähe und Distanz, heißt ja auch noch was anderes. Wir hatten vorhin den Intimbereich, in dem die zu Pflegenden arbeiten, ist auch Nähe. Ganz klar kann ich das. Man kann diese Begriffe unterschiedlich einsetzen. Ja, spannende Themen.
Ralf: Doch das ist hochspannend. Und wir sind auch tatsächlich schon eine halbe Stunde dran.
Kerstin: Sowas.
Ralf: Unglaublich. Aber wahr. Was tatsächlich, letztlich von uns beiderseits so als Experiment lief, hat sich zu einem richtig tollen Gespräch entwickelt.
Kerstin: Das hat Spaß gemacht.
Ralf: Mir hat es ganz ernsthaft auch richtig viel Spaß gemacht. War für mich jetzt auch tatsächlich hochspannend. Ich denke auch, dass es für die Zuhörer hoch spannend ist, mal so einfach auch in eine andere Gedankenwelt einzutauchen.
Und so wie wir es vorher auch kurz hatten, mal die andere Seite zu sehen. Was da alles drinsteckt und was da dahinter steckt und was in so Berufen drinstecken kann, die man normalerweise immer nur von der anderen Seite aus sieht. Und das finde ich ganz, ganz cool. Gibt’s denn irgendwas noch, liebe Kerstin, was du zum Schluss noch so loswerden möchtest?
Kerstin: Also ich finde es toll, wenn ich grundsätzlich erst mal, dazu beitragen konnte, mal verschiedene Seiten zu beleuchten. Weil, wenn man so in seinem Beruf ist, dann ist man ja so fixiert und der andere sieht das ganz anders.
Was ich loswerden möchte ist der Grundsatz, den wir nun in dieser kurzen Zeit kennengelernt haben, dass Pflegekräfte mehr Unterstützung brauchen. Dass wir leider zu wenig haben, dass ihre Arbeit, die wird sicherlich jetzt dadurch noch mehr wertgeschätzt. Aber da muss sich mehr tun. Die Lösung kann ich nicht anbieten, weiß ich nicht, aber wir müssen die Wertschätzung dem Beruf weiterhin mehr entgegenbringen. Das ist ganz wichtig.
Weil die Pflegekraft ist diejenige, die die meiste Zeit mit dem Patienten verbringt. Ich will jetzt nichts gegen die Ärzte sagen, aber die Ärzte haben andere Aufgaben. Sie haben ihre Diagnose zu stellen in Anamnese, die Diagnose, die Therapie und alles das und das passiert in relativ kurzer Zeit. Nur der Patienten Kontakt, das ist die Pflegekraft. Ja, dieses emotionale Aufbauen und Entwickeln und die Bedürfnisse kennenlernen des Patienten.
Und da ist ja auch noch ein soziales Wesen da, vielleicht eine Familie und Kinder. Geht das denn, wenn er im Krankenhaus ist. Und das ist die Pflegekraft, da bündelt sich alles, dass man das mehr sieht und im Beruf mehr Wertschätzung entgegenbringt. Sicherlich auch, ich sage es ganz einfach, wirklich im Gehalt.
Ralf: Ja, ja, ganz klare Aufgabe. Ja, das ist ein wichtiger Teil.
Kerstin: Und natürlich, wenn es mehr wären, wäre das natürlich noch optimaler. Und da gibt es nun mal, so ist es, das weiß man auch in den europäischen Ländern, halt große Unterschiede wie viel Pflegende, wie viele Patienten zu versorgen haben. Da gibt es große Unterschiede, das ist Diskussions-Feld für ein neues Thema.
Ralf: Ja, das wäre wahrscheinlich auch noch mal ein Riesenthema. Ja, aber danke dir für dieses sehr schöne Schlusswort. Wo ich dir auch wieder zustimme: Ein bisschen mehr Wertschätzung, Anerkennung und Respekt für die, die unsere Kranken und Hilflosen in den Momenten pflegen, wo sie es nötig haben. Ja, auf jeden Fall hier ein ganz, ganz herzliches Dankeschön, liebe Kerstin, dass du uns spannende Inhalte geliefert hast.
Kerstin: Ich bedanke mich auch, dass ich teilnehmen durfte.
Ralf: Ja klar, wir hatten es im Vorgespräch schon kurz davon gehabt und ich sagte es jetzt hier noch ganz offiziell: Wir werden uns wiederhören.
Kerstin: Würde mich sehr freuen, Ralf, sehr schön.
Ralf: Aber gerne doch schön. Und dann für heute erstmal Tschüss Kerstin.
Kerstin: Ralf, schönes Wochenende. Tschüss.
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